Jan Kummer gehört zum unverzichtbaren Personal einer lebendigen Kunstszene: originär und in zahlreichen kulturellen Sparten zu Hause. Er lebt in der Einsicht, dass die althergebrachten, eingefahrenen Lebensläufe, die sich aus Unbeweglichkeit doch viele Zeitgenossen wünschen, nicht mehr funktionieren. Und: Jan Kummer ist quasi die Blaupause des für die Chemnitzer Kunstszene so typischen Allrounders, ein notorischer Autodidakt, was heute gar nicht mehr so selten ist in der Stadt der Moderne. Das ist auch einer der Gründe warum dieser Podcast eine dezente Überlänge hat. In der Vorbereitung auf dieses Gespräch habe ich mir dann schnell die Frage gestellt, mit wem ich da im unterschätzten Chemnitzer Stadtteil Bernsdorf eigentlich sprechen werde. Vielleicht mit dem Schauspieler Jan Kummer, dem Kolumnisten, dem Ex-Musiker und Ex-Mitglied der AG Geige, dem Ex-Club Betreiber und Ladenbesitzer? Oder dem bildenden Künstler? Die Vorbereitung ist mir nicht leicht gefallen, weil schnell klar war dass ich, beziehungsweise wir wahrscheinlich ein kleines Zeitproblem bekommen werden.
„Zunächst in der Stadthalle, beim Fernsehen und am Karl-Marx-Städter Schauspielhaus in verschiedenen Jobs tätig, gründet er mit gleichgesinnten schrägen Typen der städtischen Szene die Performance-Band AG Geige, die ohne Zweifel zu den wenigen „anderen Bands“ in der DDR zählt und schnell den immer von den Akteuren erwünschten Kultstatus erreicht. Die „Arbeitsgemeinschaft Geige“ löst sich schließlich 1993 überraschend auf. Kummer hat längst das KIOX gegründet, zunächst ein alternativer Plattenladen, dessen Profil später mit Mode und Second Hand in einem Hinterhofhaus im Chemnitzer Stadtteil Sonnenberg Erweiterung findet. 1999 wechselt er wieder das Metier und widmet sich nun vorrangig der Hinterglasmalerei, auch Eglomisierung genannt. Nebenbei kümmert er sich um das Programm des Chemnitzer Klubs Atomino, der längst einen deutschlandweiten Status aufweist und dessen Leitung er inzwischen in jüngere Hände gelegt hat. Seine Konzentration auf die Kunst hat sich gelohnt, er darf sich zu den wenigen Malern in Sachsen rechnen, die einen eigenen Stil gefunden haben und das will etwas heißen.“ (Reconnaissance Interview Mag)
Jan Kummer ist vor allem hier in seiner Heimatstadt aktiv, das war schon immer so. Vor der Wende in Karl Marx Stadt und die dreißig Jahre nach dem Ende der DDR bis heute. Jede Epoche aus Jan´s Schaffen und Wirken bietet stundenlangen Gesprächsstoff, mein Podcast hat aber nur diese eine Stunde. Und weil mich persönlich sehr interessiert, wie man als multipler Künstler vor der politischen Wende 1989 wirken konnte, steigen wir auch mit diesem Thema ein, und überziehen hier gleich mal um einige Minuten. Wir sprechen über eben diese AG Geige, weil Jan Mitglied dieser Band war, welche sich 1986 in Karl-Marx-Stadt gegründet hat und bis 1993 bestand. „AG“ bedeutete „Arbeitsgemeinschaft“ und sollte damals eine ironische Überspitzung der in der DDR allgemein geforderten kulturell-künstlerischen Massenbetätigung darstellen. Ironie spielt und spielte sowieso schon immer eine große Rolle im Leben des Jan Kummer. Warum das so war und ist, wird mir im Laufe des Gesprächs immer wieder deutlich. Ausserdem sprechen wir natürlich über den Maler Jan Kummer, eine sehr kreative Familie mit Kindern die heute in den Bands BLOND und KRAFTKLUB spielen, Chemnitzer Galerien, die Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025, Bingo in Brüssel, die Public Art Ausstellung „Gegenwarten“ und gezwungenermaßen ein ganz klein wenig über Corona.